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Bericht vom 13. Januar 2011

„S21 nach der Schlichtung“

Vortrags- und Diskussionsabend in Fellbach
Die Stadt Fellbach hat am 13.01.2011 auf Anregung der Grünen Fraktion im Gemeinderat einen Informations- und Diskussionsabend veranstaltet. Eine seltene Gelegenheit, an einem Abend beide Seiten anhören zu können. So war der Abend auch sehr gut besucht, es gab auch zahlreiche Gäste von anderen Gemeinden.

Zum Auftakt hat Klaus Arnoldi (VCD), wie immer fundiert, einige wichtige Probleme bei S21 sowie die Grundzüge des Alternativkonzepts K21 vorgestellt. Für gut informierte S21-Gegner war nichts Neues dabei - wie denn, wenn die Argumente seit Jahren durchgekaut sind? Es machte aber durchaus Sinn die Tatsachen noch mal zu präsentieren, weil es immer noch Menschen gibt, die nicht informiert sind. Und bekannterweise: „Man ist für Stuttgart 21 oder man ist informiert“

Als nächstes folgte ein Vortrag von Prof. Heimerl, der in den achtziger Jahren die „kombi“-Idee ins Spiel brachte, nach welcher der Kopfbahnhof für Regionalverkehr erhalten und durch vier unterirdischer Gleise ergänzt werden sollte. Diese Idee wurde weiterentwickelt bis zur jetzigen S21-Gestalt.

Er erzählte viel über die Konzeptentwicklung vor über 20 Jahren und stellte die zum Teil aus dieser Zeit stammenden Untersuchungen vor, die eine generelle Überlegenheit von Durchgangsbahnhöfen belegen. Leider versäumte er anzumerken, dass der größte Nachteil der Kopfbahnhöfe – das „Kopf machen“ – längst nicht mehr gilt. Man hatte das Gefühl, dass Prof. Heimerl die Erkenntnisse der Schlichtungsgespräche (dass nämlich lt. SMA der versprochene Leistungszuwachs in S21 gar nicht möglich ist) nicht mitgekriegt hat und behauptete weiterhin, S21 wäre leistungsfähiger als K21. Eine weitere Behauptung, die ein ungläubiges Raunen bei den Zuhörern bewirkte, betraf die Kosten. Prof. Heimerl behauptete, K21 würde, obwohl bei dieser Variante die vorhandene Infrastruktur nur ertüchtigt und in gewissem Umfang erweitert werden soll, fast genauso viel kosten wie S21.

Um möglichst viel Zeit der Fragerunde für die Bürgerinnen und Bürger einzuräumen, hat die Fraktion der Grünen kurzfristig angeregt, auf die moderierte Podiumsdiskussion zwischen den beiden Experten, dem Oberbürgermeister und den Vertretern der Fraktionen zu verzichten. Diese Diskussion war für eine Dreiviertelstunde geplant und hätte nichts Neues gebracht. Stattdessen wurde vorgeschlagen, jedem Teilnehmer 5 Minuten einzuräumen, um so die (für die ZuhörerInnen sich dahin schleppende) Zeit ohne Fragen aus dem Zuschauerraum auf eine knappe halbe Stunde zu reduzieren. Diesem Vorschlag stimmte der Fellbacher Oberbürgermeister Christoph Palm zu. Leider wurde diese Änderung den Versammelten nicht erklärt, was natürlich zu Irritationen führte.

Bei den darauf folgenden Statements der politischen Parteien aus dem Fellbacher Gemeinderat war die Nervosität der Gäste nicht mehr zu überhören. Die Vertreter der CDU und der FW/FD verlasen nur die längst bekannten und während der Schlichtung widerlegten Behauptungen, S21 wäre gut für Umwelt, Reisende und Wirtschaft, ohne dafür Belege nennen zu können. Fragen aus dem Publikum wurden vom Moderator sofort abgewürgt mit dem Hinweis auf die danach folgende Fragerunde.

Für etwas Auflockerung sorgte ungewollte Komik:
Als der FW/FD-Sprecher rhetorisch fragte, ob denn die Gegner sich der Konsequenzen eines Baustopps bewusst sind, antwortete es aus dem Saal im Chor „JA!“, für den Sprecher sichtlich unerwartet.


Erst die Rede des SPD-Sprechers brachte eine gewisse Sachlichkeit, aber auch er hat die alten Thesen wiederholt, die dem umstrittenen Projekt  ökonomische, ökologische und verkehrstechnische Vorzüge zusprechen, die bis zum Stresstest als nicht nachgewiesen gelten müssen.


Zum Schluss stellte der Sprecher der Grünen sein Fazit aus den Schlichtungsgesprächen vor: Die Forderung, bis zu den Ergebnissen des Stresstests den Bau ruhen zu lassen. Er verdeutlichte gleichzeitig, dass aus politisch-formellen Gründen ein Baustopp nicht erzwungen werden kann, setzte auf Überzeugungskraft sachlicher Argumente und hoffte auf Einsicht der Politiker und Verantwortlicher.

Es folgte eine Fragerunde, aber die Enttäuschung der Zuhörer über die, immer noch, viel zu langen politischen Statements ohne Informationsgehalt war sehr groß. Ein Teil der Gäste verließ den Saal, andere wollten gleichzeitig mit den Fragen eigene Stellungnahmen abgeben, noch weitere versuchten mit ihren Fragen in der kurzen verbliebenen Zeit den Experten konkrete Antworten zu entlocken, und bekamen stattdessen häufig ausweichende Antworten (zur Baumfällung: „Ich bin kein Biologe“) oder politische Meinungen (Zur Frage, wer Mehrkosten für S21 zu zahlen hat: „Auch K21 ist ein Milliardenprojekt“).

Statt Informationen über S21 oder S21plus erfuhren die Teilnehmer hauptsächlich nur, wie die Kommunalpolitiker Fellbachs zu dem Projekt stehen, ihre Denk- und Argumentationsweise. Deswegen fiel seitens der Zuschauer mehrmals der Vorwurf, es wäre keine Info- sondern eine Wahlveranstaltung.

Fazit:

Für gut informierte Gäste gab es keine neuen Erkenntnisse zum Thema S21. Der Erkenntnisgewinn betraf eher die Denkweisen der Lokalpolitiker – angesichts der nahenden Wahl auch nicht ganz unwichtig.
Für Interessierte, die konkrete Antworten auf konkrete Fragen erwarteten, war die Veranstaltung leider wenig befriedigend. Nachdem beide Vorträge erwartungsgemäß das Limit von je 30 Minuten überschritten, mussten die Zuhörer zunächst meist längst bekannte Wahlkampfparolen ohne Informationswert erdulden, um dann unter großem Zeitdruck vom Moderator gedrängt zu werden, nur kurze Fragen zu stellen, auf die wiederum oft längliche politische Statements statt konkreter Fakten folgten. Schade, dass der Moderator sich nicht traute, auch hier auf kurze und sachliche Antworten zu drängen.

Informationssuchende gingen trotzdem nicht ganz leer aus – dank ausgelegter bzw. verteilter Infoblätter beider Seiten kann man sich daheim in Ruhe so viele der (schon längst bekannten) Fakten zusammensuchen, wie viele man braucht, um sich eine objektive Meinung zu bilden.

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